Mirjam in Vauvert

Mein geliebtes Frankreich

Schon seit einer Weile hatte ich mir gewünscht ein Austauschjahr machen zu können, doch trotzdem war es für mich nicht sehr einfach meine Familie und Freunde zu verlassen. Als aberfeststand,dass ich wirklich ein Austauschjahr nach Frankreich machen werde, war ich sehr gespannt auf dieses Jahr. Doch schon der erste Telefonanruf zu meiner Gastfamilie war eine grosse Hürde. Aber als ich das geschafft hatte, war ich schon sehr stolz auf mich. Ich würde wirklich für zehn Monate in ein fremdes Landundin eine fremde Familiegehen...Das Datum der Abreise rückte auch schon schnell näher und plötzlich sass ich auch schon alleine in einem TGV von Genfnach Nîmes. Da ich nicht eine vom Flughafen vorgegebene Richtlinie an Gepäck hatte, hatte ich neben meinem riesigen Koffer auch noch mein Cello mitgeschleppt und ja, dieses Wort beschreibt es wohl am besten ;)Nach einerbeinahe vierstündigen Fahrt erreichte ich dann den Bahnhof von Nîmes. Meine Gastmutter holte mich dann auch schon dort ab und zusammen fuhren wir in die Ortschaft Vauvert im Département Gard. Ich wurde dort auch gleich freundlich in Empfang genommen von einem riesigen weissen Hund und etwas später auch von unseren Nachbarn. Diese erste Begegnung werde ich wohl nie vergessen; meine Gastmutter, drei Nachbarn und ich sassen alle in der relativ kleinen Küche und alle Nachbarn versuchten gleichzeitig mit mir zureden, was bei dem ganzen Chaos und meinen noch ziemlich geringen Sprachkenntnissen nicht sehr einfach war. Aber ich genoss es auch, so freundlich aufgenommen zu werden.Bevor aber die Schule ein paar Tage später losging, lernte ich schon das beinahe grösste Problem eines Austauschjahres kennen: Langeweile. Klar waren immer wieder Leute da, um zu reden und ich sass ja auch nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer, aber es war doch etwas schwierig,sich zu beschäftigen. Und obwohl ich das normalerweise ziemlich gut kann, hatte ich das ganze Jahr etwas damit zu kämpfen. Dazu kam auch, dass ich nur Gastgeschwister hatte, die schon erwachsen und ausgezogen waren, oder eine Gastschwester, die zwar gleich alt war, aber im selben Jahr in den USA.

Am Tag vor Schulbeginn nahm mich meine Gastmutter mit für einige organisatorische Sachen bezüglich der Anmeldung im Lycée Geneviève de Gaulle Anthonioz, also meiner Schule. Der Schulleiter sagte mirin welche Klasse ich kommen würde, und in welchem Zimmer ichmichzuerst mit meiner Klasse treffen würde. Und ich lernte auch schon mal mein Lycée kennen. Das Lycée selbst bestand aus einigen zusammenhängenden Gebäuden mit einer Kantine und einer Cafeteria.

Die erste Zeit im Lycée war etwas schwierig, da sich auch die Leute in der Klasse untereinander noch nicht richtig kannten und deshalbnicht allzu sehr realisierten, dass ich teilweise Hilfe nötig gehabt hätte um mich zurecht zu finden. Sie fragten zwar immer wieder nach, ob ich nicht mit ihnen mitgehen wollte, aber meistens stand ich dann halt nebendran anstatt mitreden zu können. Die Sprache war schon eine sehr grosse Barriere. Aber mit der zunehmenden Sprache wurde auch sehr schnell vieles einfacher. Ein Mädchen aus meiner Klasse nahm mich bald schon etwas in ihre Obhutund von da an war ich auch nicht mehr alleine und fand bald auch andere Freunde. Bis zu Weihnachten hatte ich mich sehr gut in der Klasse eingelebt.

Nebenbei lernte ich noch eine ganz andere Facette vom Süden Frankreichs kennen: les jeux taurins. Ich hatte nicht gewusst, dass es neben Spanien auch noch im Süden Frankreichs üblich war Stierkämpfe und sonstige „Spiele“ mit Taureaux(Stieren)zu veranstalten. Tatsächlich hatjedes Dorf in der Region seine eigeneArena und fast jedes Wochenende in der Sommersaison konnte man zuschauen, wie man die schwarzen Stiere durch die Dörfer trieb, umritten von den Gardians auf ihren weissen Camargue-Pferden. Im Gegensatz zu den Spaniern werden aber die Stiere nur getötet bei einer Corrida und nicht bei den normalen „Course Camarguaise“, den üblichen Spielen. Ein paarmal ging ich an diese Course Camarguaise, weil das für mich so etwas Fremdes und Neues war und es auch jedes Mal ein halbes Volksfest war.

Meine Gastmutter nahm mich auch viel auf Ausflüge mit und so lernte ich wirklich viel von der Region kennen. Neben Montpellier und Nîmes fuhren wir auch einige Male in die Provence und auch in die Ardèche. Und natürlich gingen wir auch ans Meer, das ja praktisch nebenan lag.

Überhaupt war es das ganze Jahr über verhältnismässig schön warm, was im Winter bei einigen Freunden nur Kopfschütteln auslöste, wenn ich ihnen sagte, dass es gar nicht so kalt wäre. So konnte ich zum Beispiel meinen ersten richtigen Ausflug ans Meer am ersten Januar in relativ leichter Kleidung geniessen. Allerdings war es zwischen Herbst und Winter richtig gewitterig und regnete sehr oft und derMistral machte mir auch einige Male zu schaffen, doch trotzdem war das Wetter im Durchschnitt viel angenehmer als in der Schweiz.

Im Februar konnte ich dann mit der französischen Partnerorganisation CEI für fünf Tage nach Paris. Ich freute mich sehr auf diese Reise, denn ich war noch nie in der berühmten Hauptstadt.Mit dabei waren noch rund fünfzehn andere Austauschschüler, die meisten aus Deutschland. Aber auch aus Süd-und Nordamerika und sogar Japan hatte es Leute dabei. Ich fand es sehr toll, sich mit anderen Austauschschülern austauschen zu können, ich war ja schon in der Hälfte meines Aufenthaltes, aber andere waren erst am Anfang. Und auch wenn zuerst die meisten miteinander französisch redeten und sich dieser Zustand sogar bis zum Schluss hielt, es war auch angenehm ab und zu etwas hochdeutsch sprechen zu können...Während den paar Tagen irrten wir also durch die ganze Stadt, besuchten La Joconde (zu Deutsch: Mona Lisa) im Louvre, sahen uns Notre Dame de Paris La Provence„Le jour de l’an“Neujahrmorgen am MeerLa Tour Eiffelan, und genossen die Aussicht über das nächtliche Paris vom Eiffelturm aus. Für mich war dieser Ausflug nach Paris ein kleiner Höhepunkt des Austauschjahres.

Im April kam dann endlich ein lang erwarteter Anlass am Lycée: der Carneval. Fast alle Leute erschienen verkleidet als Kuh, Super Mario, Ninja, oder was immer das Herz begehrte. Natürlich war an diesem Tag die Schule auch etwas lockerer.

Auch sonst unternahm ich einiges mit meinen Freunden. An den Wochenenden gingen wir manchmal in die Disco oder shoppen. Wir machten Velotouren, Filmabende und natürlich im Sommer Strandausflüge. Einmal wurde ich sogar auf einen Angelausflug eingeladen und lernte von Hand kleine Krebse zu fangen.(Fische fingen wiran diesem Tag leider keine...)

Auch das französische Essen wurde mir näher gebracht. Neben Crêpes, Gardianne de taureau und Mouleswurden mir auch Schnecken angeboten, die ich zwar probierte, sie aber von da an immer dankend ablehnte...

Langsam kam das Ende meines Aufenthaltes näher, aber eine Woche vorher gab es noch einen weiteren Höhepunkt dieses Jahres: meinen 18. Geburtstag. Zuerst hatte ich eine Freundin gebeten, mir beim Organisieren zu helfen, aber dann fand sie, dass sie gleich alles organisieren würde. Am Samstag nach meinem Geburtstag lud sie mich dann zu sich nach Hause ein und fast alle aus meiner Klasse waren da. Zusammen konnten wir sowohl meinen Geburtstag wie auch meinen Abschied feiern. Es war ein wunderschöner Abschluss dieses tollen Jahres.

Und dann war es auch schon wieder soweit: Meine Gastmutter brachte mich an den Bahnhof und schon ging es nach Hause...Damit ich nicht allzu traurig war, hatten mir meine Freunde noch eine kleine Abschiedsbox mit Fotos und anderem gebastelt und so konnte ich während der Zugfahrtund auch jetzt noch in schönen Erinnerungen schwelgen.