Zafer in Muscoda

Der Flieger nach New York startete...zu diesem Zeitpunkt war mir noch in keinster Weise bewusst, was mir bevor stand und welch Auswirkungen diese Reise auf mein späteres Ich und Leben haben würde. Die Gedanken die auf dem Hinflug durch meinen Kopf gingen kann ich weder einfangen noch beschreiben, aber ich kann soviel sagen, das noch nie zuvor soviel Spannung, Freude & Abenteuerlust in mir Steckte. Ich hatte sehr hart dafür gekämpft, das ich auf diese Reise gehen konnte, mit eines der Gründe warum ich jede Sekunde genossen und genutzt habe.

Im New York Orientation Camp angekommen, traf ich auf rund 100 Menschen aus ganz Europa, mit denen ich genau eins gemeinsam hatte, das Austauschjahr. Wir bildeten eine Gruppe von sechs Personen mit denen wir New York zu einem unvergesslichen Erlebnis machten & mir sogar nach diesen fünf Tagen beim Abschied fast die Tränen kamen. Heute noch, Jahre später, pflege ich sehr guten Kontakt zu einer von diesen sechs, wir besuchen uns regelmäßig trotz der 550km die zwischen uns liegen, und ich kann mit Sicherheit sagen, das alleine in diesen fünf Tagen die Grundsteine für eine Freundschaft von Lebensdauer gelegt wurden. Auch wenn es sich so angefühlt hatte, als wäre die Reise hier zu Ende, vermutlich durch den schweren Abschied, war es nur der Anfang einer neuen, größeren und bedeutsameren Geschichte. Denn wie sagt man so schön, „Wenn etwas endet, fängt etwas Neues an.“.

Ich landete in Wisconsin/Muscoda, einer wahrscheinlich recht unbedeutenden kleinen Ortschaft für die Welt, aber eine Welt für mich. Ich lernte meine Gastfamilie endlich persönlich kennen und sie waren genau das was ich mir gewünscht hatte, eine richtige Familie der guten Mittelklasse die das Geld & sich als Familie noch zu schätzen wussten. Sie gaben mir sofort das Gefühl als wäre ich ein Teil der Familie, nicht nur mit ihren Worten sondern auch mit ihren Taten, ich hatte die gleichen Rechte wie jeder in der Familie und das begrenzte die Zeit die ich zum Einleben in der Familie brauchte auf wenige Tage.

Die Familie war also perfekt, es gab nur noch zwei Faktoren die von Bedeutung waren: Schule & Freunde. Die Riverdale Highschool, so hieß meine Schule, war der Auslöser, dass ich zum ersten Mal Schule mit Spaß verbunden hatte. Auf dieser Schule waren so viele unterschiedliche & absolut bewundernswerte Persönlichkeiten, das fast jeder einzelne an meiner Entwicklung beigetragen hat. Leute die ich Anfangs recht „cool“ fand, mochte ich zum Ende hin größtenteils nicht. Leute die ich Anfangs recht „uncool“ fand, wurden teilweise meine besten Freunde. Allein diese Erkenntnis lässt   mich heute als weniger vorurteilsbehafteter Mensch durch das Leben gehen. Die Schule mit ihren 400 Schülern bot jedem Einzelnen eine fast unbegrenzte Palette an Möglichkeiten an, sich zu entfalten. Einem waren keine Grenzen gesetzt, man konnte seinen Interessen nach gehen, mit der Schule als Rückendeckung & Stütze. Dies nutzte ich und hatte mich fast für alles eingetragen und  so habe ich neue Stärken & Schwächen entdeckt. Ich hatte zahlreiche Freunde, fünf davon konnte ich meine wirklich guten Freunde nennen, die nicht hätten unterschiedlicher sein können. In jedem von ihnen fand ich irgendwas von mir wieder & jeder von ihnen hat mir sehr wichtige Erkenntnisse & Erfahrungswerte mitgegeben. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.

Ihr fragt euch sicher, wie es mir mit der Sprachbarriere erging, die für mich keine war. Nicht weil ich ein Englisch Genie war sondern weil die sprachliche Entwicklung in einem unglaublichen Tempo voran schritt, und das Sprachproblem nur für einen sehr kleinen Zeitraum existierte. Natürlich gibt es immer wieder ein paar Lücken hier & da, aber das sind dann halt nur noch Lücken und keine Barriere. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde mir jeder Austauschschüler zustimmen wenn ich sage das die sprachliche Entwicklung enorm ist und sprachliche Probleme in kürzester Zeit nicht mehr existieren. Ich führte also ein sehr ausgeglichenes Leben zwischen Familie, Freunde & Schule. Mir ging es blendend, von Heimweh war im gesamten Jahr keine Spur.

Die Zeit nahm gefühlte Lichtgeschwindigkeit an, das Jahr war vor rüber, schneller als ich gucken konnte, es war der schwerste Abschied meines Lebens. In diesen 10 Monaten, und ich sage euch das ist keine lange Zeit, wurde ich zum ersten Mal komplett mit mir selbst konfrontiert. Ich lernte das man erst vollkommen Glücklich werden kann im Leben wenn man, man selber ist. Ich wusste nun auch, welch Freundeskreis ich pflegen wollte und ich erkannte sehr schnell was ich bisher falsch im Leben gemacht hatte. Ich kam als neuer und ausgeglichenerer Mensch wieder. Jede Entscheidung die ich heute treffe, basiert auf den Erkenntnissen meines Auslandsaufenthaltes, die mich erst zu dem gemacht haben, der ich heute bin. Ich wäre heute nicht mit der wundervollsten Frau der Welt zusammen, wenn diese Entwicklung nicht statt gefunden hätte. Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass ich endlich mich selbst gefunden hatte und glücklich bin diese Person heute zu sein. Die Entscheidung ein Austauschjahr zu machen war bis her die beste Entscheidung & das beste Jahr in meinem Leben und sie wird es sicher auch bleiben. Ich hätte damals  alles getan um nie wieder nach Hause fahren zu müssen, aber es war nicht zu ändern, doch ich sagte mir „Wenn etwas endet, fängt etwas Neues an“ - und so war es auch.