Claudia in Haverhill

England – das Land, in dem ich sechs Monate verbringe, in die Schule gehe und einfach mal die Kultur erforsche. Aber wie bin ich eigentlich darauf gekommen, fragen sich jetzt sicher viele. Als mir meine Freundin zum ersten Mal erzählt hat, dass sie ein Austauschjahr machen wird, hab ich eigentlich erst so richtig begonnen darüber nachzudenken und je mehr ich nachdachte und je mehr ich mich über ein Austauschjahr informiert habe, desto mehr wollte ich es dann auch machen. Meine Eltern waren von Anfang an voll dabei und haben sich gefreut, dass ich mich für so einen Austausch interessiere. Als erstes habe ich mich per E-mail bei der Organisation INTO beworben, da diese mir von meiner Freundin, die ein halbes Jahr in Australien verbracht hatte, empfohlen wurde. Und ich wurde nicht enttäuscht, denn schon beim ersten Gespräch (auf English und auf Deutsch) wusste ich irgendwie, dass dieses halbe Jahr eine unvergessliche Zeit werden wird. Ich wurde erfolgreich ins Austauschprogramm aufgenommen und begann mit dem Beantworten vieler verschiedener Fragen, stelle meine Bewerbung online zusammen – wofür ich echt dankbar war, da man nicht alles mühsam und schön mit der Hand schreiben musste und ganz gemütlich jeder Zeit und an jedem Ort an meiner Bewerbung weiter arbeiten konnte. Es dauert zwar seine Zeit die verschiedenen Formulare, Arztberichte und Zeugnisse zusammenzubekommen und die Bewerbung dann endlich abzuschicken, aber das ist es wert. Denn eigentlich hängt es ja davon ab, was man in seine Bewerbung schreibt, welche Gastfamilie bekommt und was noch viel wichtiger ist, wie der erste Eindruck bei der neuen Gastfamilie dann so ist. Ein Monat vor meinem Abflug hatten wir ein Pre-Departure-Seminar (PDS) in Wien. Alle Austauschschüler „alte“ und „neue“ sind zusammen gekommen und die Austauschschüler des letzten Jahres berichteten über ihre Erfahrungen, zeigten Photoalben und Videos her und beantworteten unsere Fragen – von denen es nicht zu wenige gab. Ich fand es sehr hilfreich mit anderen Austauschschülern zu reden, ob sie nun schon auf Austausch waren oder erst wegfliegen, denn jeder hat andere Erfahrungen, Tipps und macht sich Gedanken über die Zeit, in der er in einem fremden Land ist, dass dann wie eine zweite Heimat werden wird oder schon geworden ist. Als ich dann hier in England angekommen bin, war alles echt anders. Das klingt vielleicht etwas übertrieben für manche von euch, aber übertrieben habe ich ganz und gar nicht. Als mich mein Local Coordinator – mein erster Ansprechpartner, nach meinen Gasteltern, für Probleme, der in der Nähe von mir wohnt – vom Flughafen Norwich abgeholt hat, musste ich zum ersten mal so richtig Englisch sprechen. Natürlich redet man am Flughafen auch Englisch – manchmal – aber man unterhält sich nicht richtig. Und wenn das Ganze dann auch noch mit einem richtigen Engländer ist und du dich nicht blamieren willst, dann hat man schon ein komisches Gefühl im Magen. Als wir – da ich mit zwei anderen Österreicherinnen, die auch ein Austauschjahr machen, gemeinsam nach England geflogen bin – dann in sein Auto einsteigen wollten, sind wir natürlich in die Falle Nummer 1 getappt. Die Engländer fahren ja auf der anderen Straßenseite! Das hatte ich total vergessen… Nach einer dreistündigen Fahrt bin ich dann endlich angekommen. – Das war das erste Mal, dass ich meine Gastfamilie gesehen habe. Ich war richtig aufgeregt! Mein Local Coordinator fuhr mich zu dem Haus meiner Gastfamilie und wir klingelten an der Türe. Als meine Gastmutter dann die Haustüre aufmachte und mich herzlich begrüßte und hineinbat, war meine ganze Aufregung irgendwie vorüber. Ich war einfach nur froh, dass ich endlich in meinem neuen Zuhause angekommen war. Meine Gastmutter zeigte mir gleich ihr ganzes Haus und am Ende unserer Führung zeigte sie mir mein Zimmer, ich stellte meinen Koffer ab und wir setzten uns gemütlich in die Küche und ich trank meinen ersten englischen Tee. Dann kam auch mein Gastvater, der gerade die Kinder ins Bett gebracht hatte und setzte sich zu uns. Zuerst konnte ich ihn nicht wirklich verstehen, weil er ein Amerikaner ist. – Meine Gastmutter ist Britin und mein Gastvater ist Amerikaner. Ich finde das eigentlich ziemlich cool, weil ich zwei verschiedene Kulturen auf einmal miterleben und kennenlernen kann! Als ich dann am nächsten Morgen meine beiden Gastschwestern kennenlernte, war ich überglücklich, weil ich mich so freute, dass ich mich so gut mit meiner Gastfamilie verstand. Mit ihnen habe ich echt Glück gehabt. Auch mein erster Tag in der Schule war ziemlich aufregend, weil ja alles so neu war und ich auch dann zum ersten Mal mit englischen Teenagern gesprochen habe. Ich habe mich allen vorgestellt… – So oft, wie an diesem Tag, habe ich noch nie „My name is Claudia“ gesagt. In meiner ersten Musik-Stunde habe ich dann mit meiner Musiklehrerin geredet, da sie sich sehr dafür interessiert hat, wie der Musikunterricht in Österreich denn so ist und was ich in Österreich so mache und als ich ihr dann gesagt hab, dass ich in einem Chor bin, hat sie mich dann zu dem Schulchor eingeladen, der unter ihrer Leitung ist. Als ich dann zum ersten Mal zu einer Probe gegangen bin, war ich eigentlich genauso nervös wie ich zum ersten Mal mit meinem Local Coordinator Ian geredet habe. – Aber alles ist gut gegangen! Sogar besser als gut. Ich hab mich von Anfang an super mit den anderen Leuten verstanden. Mit dem Schulchor, auch Vocal Group genannt, unternehme ich ziemlich viel. Wir fahren zu Chor-Wettbewerben; einmal waren wir in London in der berühmten Barbican Hall, wo normalerweise das London Symphonie Orchester spielt, wir waren auch in Cambridge und in noch ein paar anderen Orten, die jetzt aber nicht so berühmt sind. An meinen Wochenenden fahre ich meistens nach Cambridge oder Bury, beide Städte sind so 20 Auto-Minuten entfernt, was natürlich mit dem Bus eine Stunde lange dauert, weil der immer einen Umweg nimmt und ziemlich langsam fährt, aber da ich ja meine Freunde hab, vergeht diese Zeit dann auch wie im Flug. Ich war bis jetzt schon zwei Mal in London hier. Einmal mit meinem Local Coordinator Ian und seiner Frau, das war im Februar, und einmal alleine mit zwei Deutschen, die ich hier kennengelernt habe, und zwar Anfang Mai. – Man lernt hier eigentlich jeden Tag neue Leute kennen; nicht nur Engländer, sondern auch andere Austauschschüler, wie zum Beispiel Schweizer oder Deutsche, oder sogar eine Tschechin, die ich bei einem Trip mit Ian nach Cambridge kennengelernt habe. Ich finde es gut, dass unser Local Coordinator verschiedene Trips organisiert, die nur für die Austauschschüler sind, da wir uns dann dort richtig kennenlernen können und mit einander reden können, da wir ja alle sozusagen im selben Boot stecken und wenn einer Probleme hat, versteht ein anderer Austauschschüler ihn vielleicht viel besser als die Familie zu Hause oder ein Engländer. Mit meiner Gastfamilie unternehme ich auch viele Sachen. Dieses Wochenende erst waren wir in einem Ort, der ca. zwei Stunden von meiner Stadt ist, und haben uns dort umgeschaut und sind dann sogar auf einen Flohmarkt gestoßen und ich habe dann bemerkt, dass England, in Bezug auf Flohmärkte, kein bisschen anders ist als Österreich. Einmal da waren wir in der Pferderennen-Hauptstadt von England in New Market, dort wo auch meine Gastmutter arbeitet. Die haben dort sogar eigene Straßen für die Pferde und Pferde haben immer Vorrang, egal ob es Rot oder Grün ist. Meine dreijährige Gastschwester hat auch ein Pony, das wir so gut wie jede Woche besuchen und worauf sie dann eine Runde reiten kann. Carla, meine Gastmutter, hat gemeint, dass ich Reiten auch einmal ausprobieren soll und so haben wir geplant, dass ich das nächste Mal auch eine kleine Runde mit dem Pony meiner Gastschwester drehe. – Darauf bin ich mal gespannt! Mein Gastvater ist ja Amerikaner und deswegen haben wir auch des Öfteren Steak am Abend, da das sein absolutes Lieblingsgericht ist. Aber ich muss zugeben, dass er das echt gut kochen kann. Er hat mir auch schon viele Fotos von seinem Zuhause in Amerika gezeigt und mir schon so einiges erzählt. Es ist wirklich interessant, ihm zuzuhören und mehr über Amerika erfahren. Er arbeitet auf dem amerikanischen Militärstützpunkt in England und so hat er auch seine Frau Carla, meine Gastmutter, kennengelernt. Manchmal gehen wir auch nach „Base“ einkaufen, wo man übrigens nur in Dollar zahlen kann, also müssen wir vorher unsere Pound in Dollar umwechseln. Dort gibt es dann alle amerikanischen Marken und eigentlich ist es dort auch viel billiger als in englischen Supermärkten. – Meine Gastfamilie und ich haben uns auch gemeinsam die Royal Wedding angeschaut, so wie eigentlich alle Engländer. Es war toll so eine königliche Hochzeit mal, sozusagen aus erster Reihe, zu erleben. Das Beste war aber immer noch, dass man sogar Teetassen mit dem Namen des Pärchen kaufen konnte. Ich bin so glücklich, dass ich meine Gastfamilie und meine Freunde hier habe, denn ohne sie wäre meine Zeit hier nur halb so schön. Ich verbringe wahnsinnig gern Zeit mit meinen zwei Gastschwestern und liebe die Tage, an denen ich Schulchor habe. Und ein Traum von mir ist auch in Erfüllung gegangen, da ich wieder einmal eine Katze als Haustier haben wollte, und ich hier gleich zwei Hunde und zwei Katzen habe. Und ein kleines Babykätzchen, das total süß ist! Aber leider habe ich nur mehr sechs Wochen hier, bis ich dann Ende Juni nach Hause komme. Ich werde England und all die netten Leute echt vermissen! Aber meine Gastmutter und ich haben uns schon ausgemacht, dass ich sie mal wieder besuchen komme und vielleicht kann meine Gastfamilie mich ja auch besuchen. Ich bin echt froh, dass ich ein Austauschjahr gemacht habe – eigentlich ja immer noch mache – und den großen Schritt gewagt habe, einfach mal so in ein Flugzeug zu steigen und für sechs Monate in einem anderen Land zu leben. Ich finde, dass mir meine Zeit hier auch schon ziemlich viel für meine Englischkenntnisse gebracht hat. Ein Austauschjahr ist einfach eine tolle Erfahrung und ich kann es nur weiter empfehlen. Und ich beende meinen Bericht mit dem Motto meiner Austauschorganisation  INTO: Don’t dream it, do it! :-) Und wenn ihr noch mehr und Genaueres über meinen Exchange lesen und erfahren wollt, dann schaut doch mal bei meinem Blog vorbei claudiaengland.wordpress.com