So viel mehr als KFC

Schon lange träumte ich davon in den USA zur Schule zu gehen und als ich meine Eltern davon überzeugt hatte, dass ich mir dessen sicher bin, war ich super aufgeregt und wollte so schnell wie möglich wissen wo ich denn hinkommen würde. Doch an diesem Punkt war erstmal Warten angesagt. Beim Vorbereitungstreffen von into erzählten einige andere Austauschschüler schon wo sie die 10 Monate verbringen würden, was mich natürlich neidisch machte, aber so ewig musste ich dann doch nicht warten. Am 21. Mai erhielt ich eine E-Mail von meiner Gastmutter, sogar noch einen Tag vor der Platzierungsmail von into. Ich habe mich total gefreut und sofort Kontakt zu allen aufgenommen. Niemals vergessen werde ich allerdings die Reaktionen meiner Familienmitglieder und Freunde: „Kentucky?? Kentucky Fried Chicken!!“ Wie sich später herausstellen sollte, gibt es dort aber mehr Liebenswertes als nur frittiertes Hühnchen :-D

Der 31. Juli kam dann auch schneller als gedacht und ich musste mich schweren Herzens von Familie und Freunden verabschieden. Am Flughafen traf ich aber auch direkt ein Mädchen, das ich schon vom Vorbereitungstreffen kannte und von daher war ich nicht komplett allein mit meinen Gefühlen. Diese Trauer hält aber auch nur sehr kurz an, da man spätestens in New York so überwältigt ist, dass man sich nur noch freuen kann! Die fünf Tage in der tollsten Stadt der Welt waren atemberaubend und werden mir für immer im Gedächtnis bleiben. Am 4. August ging es weiter zu den Gastfamilien. Außer mir gab es noch zwei weitere into-Austauschschüler, die bis nach Paducah fliegen mussten, einer davon ging dann sogar mit mir zur Schule.

In "Small Town America" angekommen bekam ich erst mal einen kleinen Schock: Von Berlin in eine 10.000 Einwohner Stadt in der es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt und sich anscheinend jeder kennt. An diese Verhältnisse gewöhnt man sich aber sehr schnell und besonders wenn man Hausaufgaben und Training (Cheerleading) hat, gibt es eine Menge zu tun. Mit meiner etwa gleichaltrigen Gastschwester wurde ich dann leider nicht richtig warm, weshalb ich mich im Oktober dazu entschloss die Familie zu wechseln. Meine Local Rep und meine Freunde haben mir beim Familienwechsel sehr geholfen. So kam ich von einer Patchwork Familie mit drei Kindern zu den Großeltern einer Schulfreundin. Sie haben mich sofort herzlich aufgenommen und ich fühlte mich von Anfang an wohl bei ihnen. Die Enkel der beiden kamen häufig zu Besuch und auch sonst wurde es nicht langweilig, wie ich zu Beginn erst befürchtet hatte.

Im Nachhinein fällt mir auf, dass die Zeit von Oktober bis Mai dann wie im Flug vergangen ist, wahrscheinlich weil ich so glücklich war und (bei meiner zweiten Familie) nie Heimweh hatte. Ende Mai musste ich dann jedoch meine Koffer packen und es erschien mir unmöglich diesen Ort, dieses Leben, zu verlassen. Mit vielen Tränen war der Abschied gekommen und es ging zurück nach Deutschland. Bis heute ist mein Gastopa der lustigste Mensch den ich je kennengelernt habe und ich vermisse ihn, meine Gastoma und meine Freunde tagtäglich. Ich habe über die 10 Monate so viele tolle Erinnerungen und Erfahrungen gesammelt, dass es unmöglich ist hier alles aufzuzählen. Vom Urlaub in Florida über Footballspiele, die Frage, ob wir in Deutschland Telefone haben, Fischen gehen und Familienfeiern mit über 100 Familienmitgliedern bis hin zum Anfeuern der Schulmannschaften oder dem Prom - alles war einzigartig und ich würde dieses Jahr genauso wiederholen mit seinen Höhen und Tiefen. Alles in allem bin ich selbstsicherer geworden, habe gelernt, dass ein Familienwechsel während dieser Zeit nicht das Ende der Welt bedeutet und habe ein zweites Zuhause gefunden, was ich für kein Geld der Welt hergeben würde.